Wo Wissen und Werte vermittelt werden

In diesem Jahr war alles etwas anders beim „Tag der offenen Schultüre“ an der Udo-Lindenberg-Mittelschule Mellrichstadt. Noch größer und bunter war am Samstag die Angebotspalette, noch größer der Ansturm an interessierten Besuchern. Die Einrichtung machte ihre Türen sperrangelweit auf und wollte den Info-Tag nicht nur als „Werbeveranstaltung“ zum Übertritt nach der vierten Grundschulklasse verstanden wissen. Vielmehr richtete sich die Veranstaltung insbesondere an alle Kinder und deren Eltern, die bereits der Schulfamilie angehören. Auch für sie gab es bei den Präsentationen, Aktionen und Spielen in den Klassenzimmern viel Neues zu entdecken und zu erfahren.

Bevor Jessica Schreiner in die Tasten greifen konnte, um die Besucher musikalisch mit „River flows in you“ zu begrüßen, mussten in der Aula zunächst noch weitere Stühle herbeigeschafft werden. Die 160 vorhandenen Sitzplätze reichten beim Weitem nicht aus, um dem Ansturm gerecht zu werden. In seiner Begrüßungsrede ging Rektor Achim Libischer näher auf die inhaltlichen Schwerpunkte, aber auch die vielfältigen Bildungsmöglichkeiten an der Udo-Lindenberg-Mittelschule ein. Libischer erläuterte den Grundgedanken der Inklusionsschule, die ihr Profil gerade in den vergangenen Jahren geschärft hat. Das im Jahr 2017 verliehene Prädikat „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ sei Aufforderung und Ansporn zugleich, sich immer wieder ins Bewusstsein zu rufen, wofür die Schule steht.
An der Udo-Lindenberg-Mittelschule werden alle Schüler in ihrer Individualität ernst genommen, begleitet und gefördert. Das Klassenleitersystem ermöglicht eine enge, persönliche Bindung, was aufgrund der Heterogenität der 360 Schüler, die momentan in 18 Klassen unterrichtet werden, auch existentiell wichtig ist. Eine wesentliche Säule der Ausbildung stellt die Praxisorientierung dar. Diese wird unter anderem in den arbeitspraktischen Wahlpflichtfächern Soziales, Technik und Wirtschaft vermittelt. In der Praxis-Klasse werden jahrgangsübergreifend Kinder mit Lern- oder Teilleistungsschwäche gesammelt. Wie der Name schon sagt, liegt in der P-Klasse der Schwerpunkt auf Praktika in Betrieben und der Berufsvorbereitung, was gute Chancen eröffnet, einen Ausbildungsplatz zu finden. Daneben gibt es noch eine Übergangsklasse, in der Kinder mit Nicht-Deutscher Muttersprache zusammengefasst sind, aber auch Kinder mit Sprachproblemen. Erfreulich oft ist der Übertritt von der Übergangsklasse in die Regelklasse möglich.

Zuletzt bietet der M-Zweig die Möglichkeit, die Mittlere Reife zu erwerben. In einem vierjährigen Bildungsgang von der M7 bis zur M10 werden die Kinder zum mittleren Schulabschluss geführt, der gleichwertig mit allen anderen mittleren Schulabschlüssen in Bayern ist. Achim Libischer: „Nach dem Einstieg in die Mittelschule stehen dem Kind alle Wege offen. Das gesamte Schulsystem ist variabel und durchlässig.“ Aufgelockert wurde der Vortrag vom Schulchor mit dem Lindenberg-Song „Mach dein Ding“ – eine Aufforderung, an sich und seine Stärken zu glauben.

Im Anschluss führten die 6. Klassen die Besucher im Schulhaus umher. Der Besucheransturm riss von der ersten bis zur letzten Minute nicht ab. „Während der gesamten drei Stunden hat richtig Alarm geherrscht“, zog Libischer eine erfreuliche Bilanz. Das Kommen hatte sich allemal gelohnt. Eines von vielen Highlights war ein in Eigenregie entwickeltes und organisiertes Theaterstück der Klasse 5a. Eingangs wurden szenisch Konflikte vorgestellt, wie sie in einer deutschen Schule an der Tagesordnung sind, wie „Bocklosigkeit“ und Gewalt untereinander. Anschließend nahmen die Schüler die Zuschauer mit auf eine Reise nach Kenia, was vor allem musikalisch dargestellt wurde. Hier herrschen ganz andere, existentielle Probleme: In Afrika sind die Kinder dankbar, überhaupt in die Schule gehen zu dürfen. Inspiriert wurden die Fünftklässler von einem Vortrag des Buchautoren Arno Köster, der im November an der Udo-Lindenberg-Mittelschule zu Gast gewesen war und die Problematik drastisch geschildert hatte. Das Engagement der Fünftklässler reichte sogar so weit, dass sie eine Kuchenbar organisierten, um das Geld für die Anschaffung einer Schuluniform für ein Kind in Kenia zu sammeln.
Mit einem besonderen Angebot wartete auch die Deutschklasse von Ute Hofmann auf. In einer mehrsprachigen Lesung las Wafaa, die aus Syrien stammt und seit 2018 in Deutschland lebt, den Kinderbuchklassiker „Die kleine Raupe Nimmersatt“ abschnittsweise auf Arabisch vor. Marianna aus Armenien trug flüssig die deutsche Übersetzung vor – eine beachtliche Leistung, zumal die Schülerin erst seit 2017 die Udo-Lindenberg-Mittelschule besucht. Zur bildlichen Unterstützung fraß sich eine Raupe in einer englischen Version durch das Buch. Die Klasse 10Ma stellte ihr Planspiel Börse vor, während die 8. Klassen die Ergebnisse ihrer Betriebspraktika präsentierten, um nur einige weitere Aktionen zu nennen.
Als krönenden Abschluss des Tages führte die Klasse 6b das Theaterstück „Der Wolf und die sieben Geißlein“ auf. Als Klassenleiterin Sindy Hofmann in die Handlung und den Hintergrund einführte, war die Aula erneut proppenvoll – der verdiente Lohn für die jungen Darsteller und ihre Spielfreude, die sie bei dem Grimm’schen Märchen an den Tag legten.     

„Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“: Ein viel zitierter Satz, der an der Udo-Lindenberg-Mittelschule immer wieder aufs Neue mit Leben gefüllt wird. Mit vielen positiven Eindrücken im Gepäck („Das ist echt eine coole Schule“) konnten sich die Besucher wieder auf den Heimweg machen. Schon heute darf man gespannt sein auf den nächsten „Coup“, den die Schulfamilie momentan ausheckt. An zwei Abenden wird sich am 11. und 12. April in der Oskar-Herbig-Halle der Vorhang öffnen für das Theaterstück „Unterm selben Stern“. Anlässlich 30 Jahre Mauerfall verspricht diese Ost-West-Liebesgeschichte zweier junger Menschen viele emotionale Momente – die nächste Sternstunde ist in Sicht.

 

TEXT: Carmen Hahner – Streutal-Journal